Willi Belz

von Joel Friedrichs und Jonas Vaupel


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Willi Belz wurde am 7. März 1915 in Kassel geboren. Sein Vater, Konrad Belz, war von Beruf Eisenbahner, engagierte sich aber auch in der Gewerkschaft, wodurch er zum zweiten Vorsitzenden derselben wurde. Auch politisch war er aktiv. So nahm er 1918/19 aktiv an den Revolutionskämpfen bei und war erst Mitglied in der USPD, später trat er der KPD bei und wurde einer der führenden Funktionäre.

Willi Belz' Eltern waren beide nicht religiös, sondern gehörten beide den sog. „Freidenkern“ an. Im Elternhaus fand dabei eine starke Wertevermittlung statt. Willi Belz selbst sah seinen Vater bereits früh als großes Vorbild, der ihm die Prinzipien der Offenheit und Toleranz vorlebte.

Er besuchte von 1921–1929 das sog. Barfüßergymnasium und machte danach eine Lehre als „technischer Zeichner im Transmissionbau“. Schon während dieser Zeit interessierte er sich für das Thema Klassenkampf. Er las viel über mannigfaltige Themen, darunter die Schriften von großen Kommunisten wie Marx, die seinem Vater gehörten.

Die Familie Belz lebte in relativ armen Verhältnissen, da Konrad Belz 1924 während der Wirtschafts- / Sozialkrise entlassen wurde.

Neben der Schule war Willi Belz bereits ab 1927 in der „Kindergruppe der Freidenkerjugend“ und ab 1929 dann ein Jahr in der „Freidenkerjugend“. Ebenfalls war er Mitglied im Metallarbeiterverband.

Seine politische Tätigkeit begann bereits mit 16 Jahren, als sein Vater ihn in das Büro der KJVD zu einem Funktionär brachte. Dort sollte er zum „richtigen“ Mitglied des Verbandes gemacht werden. Sofort erhielt er den Auftrag eine Jugendorganisation in seinem Bezirk Kassels zu gründen. Da er relativ schüchtern war, obgleich er die Fähigkeit besaß, Leute für sich zu gewinnen, erschrak er über diesen Auftrag, nahm ihn dann aber doch widerwillig an. Die von ihm gegründete Organisation entwickelte sich gut, so dass er zum Gruppenleiter gewählt wurde. Durch seinen Erfolg beim Aufbau erhielt er zudem Selbstsicherheit.

Auch die Bezirksleitung war zufrieden, so dass er zum „Organisationsleiter des Bezirks“ gewählt wurde. Bevor er offiziell in dieses Amt gewählt wurde, besuchte er allerdings noch die „Reichs-Organisationschule“ in der Nähe von Berlin. Zusätzlich dazu belegte er auch noch einen Abendkurs an der „Marxistischen Arbeiterschule“ (MASCH) in Kassel. Dort wurde sich neben Theorien über den Kommunismus unter anderem auch mit „Gegenliteratur“ (z.B. „Mein Kampf“ von Adolf Hitler) beschäftigt.

Willi Belz wurde bereits mit 17 Jahren in die erweiterte Bezirksleitung der KPD aufgenommen.

Im Zuge von Vorbereitungen, die getroffen wurden, sollte die NSDAP die Macht übernehmen, wurde Willi Belz als Bezirksleiter bestimmt, sobald dieser Fall eintrete. Bei diesen Vorbereitungen wurden ebenfalls bereits Veröffentlichungen gegen die Nationalsozialisten geplant.

An seinem 18. Geburtstag (7. März 1933) wurde Willi Belz' Wohnung in der Henkelstraße 13 durch ein Rollkommando der SA gestürmt. Gesucht wurde die rote Fahne, als Beweis, dass die Familie kommunistisch eingestellt sei, ebenso wie angeblich versteckte Waffen, die allerdings nicht existierten. Sein Vater war zu diesem Zeitpunkt bei einem illegalen Parteitreffen. Daher wollte die SA von Willi Belz wissen, wo dieser sich aufhielte. Da er nicht antworten wollte, wurde er mit einer Pistole bedroht, trotzdem verriet er den Aufenthaltsort des Vaters nicht. Dieser kam nach dem Treffen nach Hause und sah bereits von weitem die Menschenmenge, die sich in der Nähe der Wohnung gebildet hatte, um zu sehen, was die SA in der Wohnung der sehr angesehenen Familie Belz tat. Dem Vater war dadurch die Chance zur Flucht gegeben. Er entschied sich allerdings nicht wegzulaufen und stellte sich der SA. Er wurde verhaftet, ebenso Willi Belz und sein jüngerer, gerade einmal 16 Jahre alter Bruder.

Sie wurden zu den Bürgersälen gebracht und auf den Vater wurde so stark eingeprügelt, dass er ernste Verletzungen davon trug, an denen er wenige Jahre später verstarb.

Die SA wollte Informationen von Willi Belz. Dieser sagte nichts. Daraufhin wurde ihm erneut mit einer Pistole gedroht und als er nicht antwortete, wurde sogar abgedrückt, allerdings mit einem leeren Magazin, also „nur“ zur Einschüchterung. Nach diesen Ereignissen, durften sie wieder gehen.

Bis zum Oktober 1933 führte er nun Widerstandsaktionen gegen das Regime durch. Dann wurde er von dem Zentralkommando der KJVD heimlich nach Berlin gerufen. Diese Einladung war allerdings eine „Falle“ der Gestapo und er sowie viele andere Mitglieder der KJVD wurden festgenommen und gefoltert. Durch eine Falschaussage konnte sich Willi Belz nach einiger Zeit vor weiterer Folter retten. Die Gruppe wurde von Berlin nach Kassel überführt und saß im Polizeipräsidium Königstor. Daraufhin kam die Gruppe in Untersuchungshaft. Da diese überfüllt war, ging es in einem Zellenwagen nach Breitenau. Dort wurden sie direkt bei der Ankunft misshandelt und um das ganze Gelände gejagt. Anschließend wurden sie in Abreitskommandos eingeteilt, wobei Willi Belz erst bei einer Uferverbreiterung helfen und danach Steine klopfen musste. Beides war schwere Arbeit und dazu noch draußen in einem harten Winter. In Breitenau fand keine gezielte Umerziehung statt und der Erhalt von Informationen von außen war auch gegeben, allerdings nur durch NS-Presse.

Im März 1934 fand schließlich der zweitägige Prozess gegen die Gruppe vor dem II. Strafsenat des Oberlandesgerichts Kassel statt. Die Anklage lautete „Hochverrat“. Es kam zur Höchststrafe, die zum Glück für Willi Belz noch die des Jugendstrafrechts für ihn war. Dadurch ergab sich eine Strafe von zwei Jahren Gefängnis.

Seine Gefängniszeit in Halle nutzte er vor allem zum Selbststudium anhand von Büchern, bis er im Oktober 1935 entlassen wurde. Er kam nach Hause und wurde sofort (24/36 Stunden nach der Ankunft) wieder zum Polizeipräsidium vorgeladen. Dort wurde er direkt erneut festgenommen und kam nach 14 Tagen Polizeigefängnis in das Konzentrationslager Lichtenburg. In diesem bestand der Großteil der Gefangenen aus mittleren oder führenden Funktionären der KPD und KJVD, wodurch er viele wichtige Personen kennenlernte. Auch von der Außenwelt war er nicht gänzlich abgeschnitten. Mittelsmänner informierten die Insassen über die Aktivitätden des Widerstands.

Im April 1936 wurde Willi Belz vom Tod seines Vaters (7. April 1936) informiert. Für ihn völlig unerwartet wurde er im Oktober 1936 freigelassen. Dies geschah wohl wegen des katastrophalen Verhältnisses seiner Familie (die Mutter litt an Rheuma) und dem daraus resultierenden Unmut der ansässigen Bevölkerung. Er fand in Kassel – wenn auch schlecht bezahlte – Arbeit und tat so, als kümmere er sich nur noch um die Familie. Tatsächlich kümmerte er sich allerdings gleichzeitig um Aufklärung über das NS-System.

1938 wurde seine Anstellung bei der Coca Cola™-Niederlassung in Kassel durch einen bekannten Sozialdemokraten und ehemaligen Arbeitersportfunktionär bewirkt. Zusammen mit anderen Angestellten mit ähnlicher Gesinnung arbeitete er an Gegenpropaganda gegen die Propaganda der NS. Dazu nutzte er z.B. ausländische Sender (besonders jene aus Moskau). Während dieser Zeit hatte er allerdings keine Verbindung zur zentralen Parteileitung. Er hatte das Vorhaben, „die Organisierung neuer Widerstandsgruppen zu betreiben“.1

Da die Familie ihr altes Haus nicht mehr halten konnte, zogen sie auf ein Grundstück in ihrem Besitz um, auf dem Willi Belz selber ein Haus baute. Er betrieb also Aufklärungs- / Widerstandsarbeit, arbeite währenddessen hart und baute ein Haus, um seine Familie versorgen zu können und gleichzeitig den Widerstand nicht aufzugeben.

Schließlich wurde Willi Belz zur Wehrpflicht eingezogen und musste sich in die Kaserne begeben. Während der Ausbildung las er sich auch ein Wissen über geläufige Krankheiten an, mit dem Ziel sich glaubhaft wehrunfähig erklären lassen zu können. Schließlich konnte er dem Militärarzt ein Ischias vortäuschen und sich auf längere Zeit krankschreiben lassen.

Am 5. Februar 1941 wurde Willi Belz erneut zur Wehrmacht, der Kassler Jägerkaserne, einberufen. Dort wurde er als Funker und Fernsprecher eingeteilt. Dies bezeichnet er selber als Glück, da ihm sonst die Einteilung als Geschützbedienung oder Fahrer gedroht hätte. Die Leistung des Diensteids verweigerte Belz nach eigener Aussage in so fern, als dass er ihn leise in folgender abgewandelter Form sprach:

„Ich schwöre, alles in meiner Kraft Stehende dazu beizutragen, dass der Faschismus zerschlagen wird, niemals die Waffe gegen andere Völker zu richten, für die Sache des Kommunismus mein Leben jederzeit einzusetzen. Das schwöre ich, so wahr mir meine Überzeugung helfe.“

Obwohl er also ein hohes Risiko und die Gefahr einer Bestrafung auf sich nahm, blieb er also auch als Soldat einen Idealen und Prinzipien treu.

In der Kaserne wurde Willi Belz und einigen seiner Kameraden immer klarer, dass ein Krieg gegen die Sowjetunion immer näher rücken würde. Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen war er jedoch auch der Überzeugung, dass „damit der Hitlerfaschismus seinen Untergang einleitet, denn die Rote Armee ist unbesiegbar“, wie er äußerte.

Weiter führt er aus, dass dies die Rettung der Völker vor dem Faschismus bedeuten werde und die Verteidigung der Revolution allen Menschen in Russland die nötigen Kräfte geben werde. Dies lässt erkennen, dass Belz in der Sowjetunion immer noch den Staat sieht, der sich durch die Revolution von der Unterdrückung befreite und für die Ideale der Offenheit und Gleichheit steht. Mit dieser Meinung unterscheidet er sich von vielen kommunistischen Zeitgenossen, die in Stalins Handeln Unterdrückung und Diktatur erkannten.

Im Sommer 1941 folgte die Versetzung des Bataillons nach Mühldorf am Inn, wo er sich als Kompanieschreiber meldete und mit dem Ausbruch einer Offensive nach Osten rechnete. Als am 22. Juni schließlich die Meldung kam, dass das Deutsche Reich die Sowjetunion angreife, sei Belz' sofortiger Wunsch gewesen „auf der Seite der Roten Armee zu kämpfen“.

Statt in den Osten, wurde Belz’ Bataillon jedoch erst einmal nach Bayonne in Frankreich versetzt. Um sich dort der Wehrpflicht zu entziehen, versuchte er seinen Fuß von einer Straßenbahn überfahren zu lassen und dies als einen Unfall darzustellen. Die Folge war jedoch nur eine leichte Verletzung, die ihn nicht vor weiteren Versetzungen nach Altwarp an der Ostsee und Würzburg. Von dort aus wurde er kurze Zeit später in eine Gebirgsjägertuppe in dem in Tirol liegende Hall versetzt. Durch das erneute Vortäuschen eines Ischias Leidens konnte er jedoch wieder nach Würzburg zurück. Dort versuchte er, mit antifaschistischen Sprüchen auf Gebäuden, Menschen zum Widerstand zu bewegen.

Ferner setzte er sich auch dafür ein, Kameraden aus seiner Kaserne vor der Verlegung an die Front zu schützen. So hatte er die Aufgabe, eine Meldeliste zu führen, die die Verfügbarkeit der Soldaten für den Fronteinsatz angab. Durch die Manipulation derselbigen konnte er also seine Kameraden an andere Posten verlegen und somit vor der Versetzung bewahren.

Schließlich wurde jedoch ein Unteroffizier auf die Sache aufmerksam, sodass Belz die Manipulationen einstellen musste und die Verlegung seines Freundes Wilhelm im März 1943 nicht verhindern konnte. Wenige Tage später erhielt schließlich auch er einen Marschbefehl nach Sijewo.

Hinter der Front wurde Belz bei dem Fernsprechtrupp der 9. Panzerdivision eingesetzt. Im Kontakt mit Einheimischen, die im deutschen Stabsgebäude tätig waren, versuchte er vergeblich Verbindungen mit der Roten Armee oder Partisanenkämpfern aufzunehmen. So musste er am 5. Juli 1943 seine erste Offensive miterleben, die er auf Höhe der schweren Artillerie verfolgte. Zehn Tage lang sah Belz so, wie immer mehr gefallene Soldaten von der nicht zu durchdringenden Linie der Sowjettruppen zurückkehrten. Trotz all dem musste er jedoch feststellen, dass er bei den Soldaten kaum auf weitere traf, die ebenfalls mit dem Gedanken des Übertretens spielten, selbst als sich die Einheit zurückzog. Die Mehrheit der deutschen Soldaten hielt eisern an der menschenverachtenden und brutalen, rassistisch motivierten Ideologie und Vorgehen des „Vernichtungskrieges“ und dem wahnsinnigen Glauben an den vom NS- Regime propagierten „Endsieg“ fest.

Die nächsten Wochen brachten Belz verschiedene Arbeiten ein, in denen er beispielsweise Kabel verlegen oder Nachrichten zwischen den Kompanien überbringen musste. Er war jedoch niemals allein, was einen Übertritt zu der Roten Armee unmöglich machte. Vielmehr lief er oftmals Gefahr von sowjetischen Jagdfliegern auf offenem Feld erschossen zu werden.

Am 5. August erfuhr Willi Belz schließlich, dass seine Truppen sich in zwei Tagen weiter zurückziehen würden. Dies bedeutete für ihn, dass er nun seine letzte Möglichkeit sah, überzulaufen. So nutzte er seine Wachstreife in der Nacht zum 6. August, um sich in dem ehemaligen Nahrungsspeicher einer russischen Familie zu verbergen und den Vormarsch der Sowjettruppen abzuwarten. Über 30 Stunden brachte er nun in seinem Versteck zu, ständig der Gefahr ausgesetzt von deutschen Suchtruppen entdeckt zu werden, bis er schließlich vor dem Gebäude Menschen hörte, die sich auf russisch unterhielten.

Belz stellte sich den Soldaten auf russisch als übergelaufener Kommunist vor, wurde jedoch gegen seine Erwartung zuerst einmal misstrauisch aufgenommen und langen Befragungen nach seinen Motiven unterzogen. So fragte ihn ein Oberstleutnant:

„Sie sind freiwillig zu uns gekommen. Schön. Sie geben an, deutscher Kommunist zu sein und so manches getan zu haben. Jetzt frage ich Sie, warum befinden Sie sich statt in einem deutschen Konzentrationslager in dieser Uniform an unserer Front?“

Als Belz schließlich von einem Wagen abgeholt wurde, musste er zu seiner Überraschung feststellen, dass man zuerst plante, ihn zurück zu seiner Einheit zu bringen und ihn dann zu den normalen Kriegsgefangenen sperrte, statt zu den anderen Überläufern. Rückblickend betonte Willi Belz in einem Interview als besonders abstrus, dass seine „Freunde“ ihn beinahe getötet hätten.

Schließlich jedoch wurde er von einem Offizier gefragt, ob er sich die Teilnahme an politischen Aktivitäten gegen die Wehrmacht vorstellen könne. Belz wurde mit der Anfertigung eines Flugblattes betreut, in dessen Erstellen er durch seine Jugend in der KPD schon einige Erfahrung hatte.

So wurde er mit dem „Nationalkomitee Freies Deutschland“ (NKFD) vertraut gemacht. Dieses war von ehemaligen deutschen Soldaten in Moskau gegründet worden und hatte zum Ziel, Wehrmachtssoldaten durch Flugblätter, Zeitungen und Lautsprecher zum Übertritt zur Roten Armee zu bewegen. Willi Belz sagte zu, sich in ihren Dienst zu stellen und in Frontnähe zu deutschen Soldaten zu sprechen. Dies hatte die Verlegung zu einer Gardeschützendivision zur Folge gehabt, welche ihn überaus freundlich empfangen habe. So schreibt er in seinem Buch:

„Wunderbare Kameraden und wahre Menschen lernte ich kennen, in langen schweren Kämpfen abgehärtet, aber immer zu Humor aufgelegt. Hier fühlte ich mich wohl und gut aufgehoben. Niemand ließ mich spüren, dass ich ein Deutscher war.“

Die Einsätze, die Willi Belz in der Folge ausführte, waren keineswegs ungefährlich. Er musste sich in einen Unterstand begeben, nicht weit von den deutschen Stellungen entfernt. Sobald er die ersten Sätze an die Soldaten gerichtet hatte, wurde meist das Feuer eröffnet. In dieser Position war er über drei Monate tätig. Mit der Zeit sollten so auch einige Soldaten zu der Roten Armee überlaufen, die sich auf Belz’ Nachrichten bezogen, doch es waren immer nur wenige.

Nach der Verlegung seiner Einheit wurde Belz in eines der großen Kriegsgefangenenlager für deutsche Soldaten gebracht. Dort kam er sowohl in Verstrickungen mit überzeugten Nationalsozialisten, fand jedoch auch andere Gefangene, die seine antifaschistischen Ansichten teilten und sich durch das NKFD organisieren wollten. Sie wurden zwar zumeist nicht von ihrer Arbeit freigestellt, dafür jedoch von den sowjetischen Offizieren im Lager unterstützt. Zu ihrem Bevollmächtigten wählten sie Belz.

Schon bald darauf versuchten sie die Insassen des Lagers durch Reden und Literatur für ihre Sache zu gewinnen, wurden zuerst jedoch meist mit Beschimpfungen und Drohungen konfrontiert. So rief ein ehemaliger Soldat der Wehrmacht Willi Belz bei einem Vortrag: „Schade, dass man dich nicht umbringen kann!“. Auch in der Gefangenschaft zweifelten manche deutsche Soldaten nicht an dem militärischen Sieg der nationalsozialistischen Diktatur.

Ab 1944 aber schlossen sich ihnen immer mehr Soldaten an, so dass bald 20% der Lagerinsassen ihren Veranstaltungen folgten.

In Folge seiner Arbeit im NKFD sprach Belz auch zweimal mit Walter Ulbricht, diese Bekanntschaft sollte sich später noch als nützlich erweisen, denn als schließlich der Krieg 1945 endete, durfte Willi Belz keineswegs schon in die Heimat fahren, sondern musste zwei weitere Jahre in einem Arbeitslager zubringen, wo er unter schweren Bedingungen Steine klopfte. Schließlich waren es die Leute der KPD in Kassel, die Walter Ulbricht über Belz’ Tätigkeit im Nationalsozialismus informierten und der sich in Folge dessen in Moskau für ihn einsetzte.

Zurück in Kassel musste Belz erfahren, dass sich seine Frau einen anderen Mann gesucht hatte, weshalb er sich scheiden ließ und ein halbes Jahr später seine alte Jugendliebe Elisabeth heiratete.

Auch nach dem Krieg blieb Willi Belz noch für die KPD in Kassel aktiv, hielt viele Vorträge und organisierte Veranstaltungen. 1960 veröffentlichte er sein Buch „die Standhaften“, in dem er den antifaschistischen Widerstand in Kassel dokumentiert. 1965 erhielt er die Ehre, auf dem internationalen Treffen ehemaliger Widerstandskämpfer und Kriegsveteranen die westdeutsche Delegation anzuführen. Im Rahmen dieser vierzehntägigen Veranstaltung durfte Belz viele der hohen Generäle kennen lernen, die bei der russischen Revolution und schließlich im Zweiten Weltkrieg beteiligt gewesen waren.

Am 30. Januar 2003 hielt Belz seine letzte Rede, am 16. Mai 2003 starb er im Alter von 88 Jahren.

Die Kommunistische Partei Deutschlands

Willi Belz war zur Zeit der Weimarer Republik ein Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands. In den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur war er zuerst im Untergrund tätig. Später arbeitete er auf Seiten der Sowjetunion gegen das Regime. Um sein Leben und seine Taten besser in den zeitgeschichtlichen Kontext einordnen zu können, soll nun eine Darlegung der Entstehung und Geschichte der KPD erfolgen, deren überzeugtes Mitglied Belz war.

Entstehung der KPD

Im frühen 19. Jahrhundert nahm die Industrielle Revolution in England ihren Anfang. Dampfmaschinen sollten bald Spinn- und Webmaschine, wie auch große Ozeandampfer bewegen und schufen für den Menschen neue Dimensionen der Produktion und des Wirtschaftens. Mit ihr sollte auch die Zeit beginnen, in der gesellschaftliche und wirtschaftliche Spannungsfelder zwischen den Besitzenden der Produktionsmitteln und den Arbeitern entstanden.

In Deutschland hinkte die Modernisierung der Wirtschaft England und Frankreich hinterher, weshalb vor allem kleinere Fabriken nicht mehr mit der Qualität und den Preisen von ausländischen Waren mithalten konnten.2 Die daraus resultierenden sinkenden Löhne und die wachsende Arbeitslosigkeit führte zu mehreren Hungeraufständen, wie zum Beispiel den der schlesischen Weber 1944. In den Städten waren die Arbeitsbedingungen in den Fabriken für die Menschen miserabel. Bin zu 12 Stunden mussten die Menschen arbeiten um ihnen und ihrer Familie das Überleben zu sichern.3 Um etwas gegen ihre prekäre Lebensumstände zu unternehmen, wurde es den Arbeitern notwendig sich zu organisieren. In Folge dessen und der Revolution von 1848/1849 entstanden die ersten Arbeiterverbände.4 Ein solcher war zum Beispiel die Arbeiter-Verbrüderung, welche 1848 von Stephan Born ins Leben gerufen wurde.5 Führende Positionen übernahmen dabei meist städtische Handwerksgesellen. Sie verfügten im Gegensatz zu den aus ländlichen Gegenden eingewanderten Arbeitern über eine Organisationskompetenz, die noch aus dem Zunftwesen tradierte.6

Besonders in Paris beschäftigten sich viele Intellektuelle mit den sozialen Ungerechtigkeiten in Europa und entwickelten theoretische Gegenkonzepte. So herrschten in der SPD viele verschiedene politische Strömungen.7 Die von Karl Marx und Friedrich Engels aufgestellten Thesen stellten den Proletariern das Kapital als Gegenstück entgegen.8 Was sie forderten, war die Aufhebung dieser Klassengesellschaft und die Verstaatlichung der Produktionsmittel. Gerade unter dem Druck, dem die Sozialistische Arbeiterbewegung durch Politik und Unternehmer ausgesetzt war, fanden die Thesen von Marx und Engels in der Arbeiterbewegung immer größere Resonanz.9

Ein langsamer Aufwärtstrend der wirtschaftlichen Lage in Deutschland zeichnete sich ab der Zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ab.10 Mit der Reichsgründung war die Grundlage für ein geeintes Wirtschaftsgebiet geschaffen worden. Gleichzeitig wuchs auch die Größe und Organisation der Arbeiterbewegungen. 1875 wurde in Gotha die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschland (SPD) gegründet.11 Unter Bismarck noch verboten und verfolgt, konnte sie sich bis 1912 zu der stärksten politischen Macht entwickeln.12 Es herrschte eine sehr enge Verbindung zwischen der SPD und den Gewerkschaften in den Betrieben und Fabriken. Der Vater von Willi Belz beispielsweise fand über die Eisenbahnergewerkschaft den Weg zur Sozialdemokratie.13

Die Partei sollte im Kaiserreich programmatisch immer zwischen reformerisch und revolutionär schwanken, wie sich dies auch im Erfurter Programm von 1891 zeigte.14 Während ein kleinerer Flügel die Herbeiführung des Sozialismus durch eine Revolution anstrebte, wollte ein anderer weit größerer Teil das bestehende System Schritt für Schritt reformieren. Im frühen 20. Jahrhundert kristallisierten sich immer größere Konfliktpunkte zwischen den Gruppen in den Parteien heraus.15

Zur Zerreißprobe wurde schließlich der Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Während der größte Teil der SPD die Führung des Krieges unterstützte, bildete sich eine kleine Gruppe um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die gegen den „imperialistischen Krieg“ agierten.16 1914 gründeten sie die „Gruppe Internationale“, aus der schließlich der Spartakusbund hervorgehen sollte.17 In der so genannten „Junius-Broschüre“ formulierte Rosa Luxemburg die Ziele der Organisation:

„Wir stehen also heute vor der Wahl: entweder Triumph des Imperialismus und Untergang jeglicher Kultur, wie im alten Rom… oder Sieg des Sozialismus, das heißt der bewußten Kampfaktion des internationalen Proletariats gegen den Imperialismus und seine Methode: den Krieg […]“

Rosa Luxemburg: Die Krise der Sozialdemokratie (Junius-Broschüre)18

Das Jahr 1917 sollte einen großen Umbruch für die linke Opposition im deutschen Reich bedeuten. Zum einen schlossen sie sich im April der neu gegründeten Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) an.19 Viele Anhänger der SPD, so auch der Vater von Willi Belz, wechselten zu der linken Splitterpartei.20

Zum anderen brach im Oktober diesen Jahres die Revolution in Russland aus. Das Land litt schon seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert unter Hungersnöten und einer schlechten Konjunkturlage.21 Seit 1905 erfüllten Proteste und Aufstände der Bevölkerung das Land.22 Im März dankte Zar Nikolaus ab, im Oktober übernahmen die Bolschewiki unter Lenin die Macht mit dem Ziel eine sozialistische Räterepublik zu gründen.23 Die Kunde von der Revolution breitete sich schnell in Europa aus und beeinflusste die deutsche Arbeiterklasse stark. Vielfach traf sie bei den gemäßigteren Gruppierungen auf Ablehnung, während radikalere Gruppen wie der Spartakusbund in ihr den Beginn der Weltrevolution sahen.

Im November 1918 meuterten deutsche Matrosen in Kiel, um einer letzten Seeschlacht gegen die mächtigere britische Flotte zu entgegen. Die Revolution sollte sich schnell in ganz Deutschland ausweiten. In Fabriken und Gemeinden wurden Arbeiter- und Soldatenräte gegründet. Sie bildeten sich meist aus Arbeitern von SPD und USPD, von denen nur wenige dem Vorbild der russischen Revolution folgen wollten.24 Der Spartakusbund um Luxemburg und Liebknecht versuchte vergeblich sie zu ihrem radikalen Standpunkt zu überzeugen.25 Auf dem ersten Allgemeinen Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands, der vom 16.–20. Dezember in Berlin stattfand, stimmten diese mit großer Mehrheit für demokratische Wahlen einer Nationalversammlung und gegen ein Rätesystem.26

In Folge dessen sah der Spartakusbund immer weniger programmatische Übereinstimmungen mit der USPD, so dass man am 1. Januar 1919 den Gründungstag einer neuen Partei abhielt, der Kommunistischen Partei Deutschlands (Spartakusbund).

Betrachtet man nun die Entstehungsgeschichte der Kommunistischen Partei Deutschlands, so sieht man, dass sie aus dem Flügel der Arbeiterbewegung hervorging, der am radikalsten die Überwindung und den Umsturz des vorherrschenden Systems forderte. So war ihr Ziel keineswegs die Errichtung eines parlamentarischen Regierungssystems, wie es in Weimar geschaffen wurde. Vielmehr sah sie das Rätesystem, die Diktatur des Proletariats, als den einzigen Weg zur Überwindung des Klassenkampfes an. Dies stellte sie in Opposition zu den gemäßigteren Bewegungen und Parteien der Arbeiter, wie der SPD. Die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Parteien werden auch noch für die spätere Geschichte der Partei prägend sein.

Verhältnis der KPD zu der Sowjetunion

Das Verhältnis zwischen der Kommunistischen Partei Deutschland und der Sowjetunion sollte ein zwiegespaltenes sein. Auf der einen Seite stellte die Aura der ersten erfolgreichen sozialistischen Revolution des Proletariats gegen das Kapitel für die Parteianhänger ein Ziel- und Wunschbild dar. Gerade die Frühzeit der Revolution wurde so beinahe zu einem „goldenen Zeitalter“ stilisiert.27 Für kurze Zeit herrschte in Russland Freiheit und es wurden viele Gesetze und Beschränkungen des Individuums und er öffentlichen Meinung aufgehoben.28 Auf der anderen Seite sollte dieses Bild bald von der Realpolitik der Bolschewisten überschattet werden.

„[…] die bolschewistische Partei (richtete sich) einmal an der Macht, als absolute Herrscherin ein; sie wurde rasch korrumpiert und etablierte sich als eine privilegierte Kaste, die in der Folge die Arbeiterklasse unterdrückte und unterjochte, um sie unter neuen Formen zu ihrem eigenen Zweck auszubeuten.“29

Aus der Sicht vieler deutscher Kommunisten verriet Stalin durch seine Politik die Ideale, welche Lenin vor ihm geschaffen hatte. Dies zeigt sich zum Beispiel in den Reden und Blättern, die innerhalb der Partei kursierten. In einer Karikatur der Parteizeitung „Fahne des Kommunismus“ führt Lenin den Proletarier gegen den Kapitalisten zum Sieg der Weltrevolution. Auf der anderen Seite wird Stalins Politik als „roter Kapitalismus“ bezeichnet.30

Das Verhältnis von KPD und der Sowjetunion ging jedoch weit über ideologische Kongruenzen und Dissensen hinaus. Auch politisch nahm die Sowjetunion einen immer größeren Einfluss auf die kleinere deutsche Partei. Das wichtigste Instrument sollte ihr dabei die Komintern werden. Die Kommunistische Internationale wurde am 2. März 1919 gegründet. Einberufen von der Sowjetunion sollte sie als „Generalstab der Weltrevolution“ Umstürze in den europäischen Staaten fördern und koordinieren.31

Deutschland hatte bei dem ersten Treffen neben Russland noch die stärkste Stellung in der Gemeinschaft, da die Länder die einzigen waren, in denen es einen funktionierenden kommunistischen Parteiapparat gab.32

Dies sollte sich ab zu Beginn der 1920er rasch ändern. Auf dem zweiten Weltkongress der Komintern sicherte sich die Sowjetunion die Mehrheit in dem „Exekutivkomitee“. Dieses sollte nun auch das Recht besitzen, Personen aus einer der kommunistischen Parteien auszuschließen.33 Dieses Recht wurde mit der Zeit immer weiter ausgeweitet, so dass Vorsitzende der KPD schließlich nur noch „von Moskaus Gnaden“ denkbar waren.

Mit dem Scheitern der Oktoberrevolution in Deutschland 1923 war Russland das einzige Land, in dem die Revolution gelungen war. Die KPD hatte sich abgewirtschaftet.34 Damit war für die Sowjetunion die Grundlage geschaffen, um die Organisation zu ihrem Machtinstrument auszubauen. Im Sommer 1924 wurde auf dem 5. Weltkongress beschlossen, dass die anderen Parteien von der Erfahrung der Bolschewiki „lernen“. Dies bedeutete in der Praxis die Unterordnung unter die immer undemokratischer werdenden Strukturen der sowjetischen Regierung.35

Die Führung der KPD musste somit ihre Politik nach dem Willen der Sowjetunion ausrichten. So kam es zum Beispiel auch, dass in den 1939er Jahren als politische Gegner der KPD vor allem die Sozialdemokratie, statt der Nationalsozialisten benannt wurde. Der sowjetische Politiker Sinowjew forderte auf der 11. Konferenz der KPdSU, man müsse „die Sozialdemokratie genauso unterstützen, wie der Strick den Gehängten unterstützt“.36 So folgert Alexander Watiln, das diese Politik die Kommunistischen Parteien untereinander zusammengeschweißt habe, ihnen dafür aber die Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit möglichen Partnern verbaut habe.37

Eine Zerreißprobe für die KPD und Komintern sollte schließlich der Hitler-Stalin-Pakt werden. Der Partei wurde auch die Weisung der Komintern die Untätigkeit gegen Nationalsozialisten aufoktroyiert. Dies ließ nicht nur die Parteimitglieder an Moskau zweifeln, sondern sollte auch die organisierte Zusammenarbeit nach dem Überfall auf die Sowjetunion verhindern. So kam es nach dem Beginn des Feldzuges im Osten kaum noch zu einer Kommunikation zwischen KPD und der Sowjetunion.

Fazit

Bei der Arbeit an der Biografie von Willi Belz stellten sich verschiedene Fragen, denen im Folgenden nachgegangen werden soll. Zum einen soll diskutiert werden, inwieweit man sagen kann, dass es sich bei Willi Belz um ein „typisches“ KPD Mitglied handelte. Des Weiteren soll das Russlandbild des Willi Belz betrachtet werden.

Willi Belz, ein „typisches“ KPD Mitglied?

Willi Belz führte ihn der KPD in dem Großraum Kassel eine wichtige Rolle und Position aus. So war er es, der eine kommunistische Jugendorganisation auf den Wunsch der Partei hin aufbaute. Auch während des Krieges griff Belz auf die verbliebenen Parteistrukturen zurück, die man im Falle einer Verfolgung der KPD geplant hatte. Er versuchte auch im Krieg noch die Organisation fortzuführen und somit die Partei am Leben zu halten.

Will man das Verhältnis Willi Belz’ zur KPD herausarbeiten, so muss zuerst einmal festgestellt werden, dass Belz der Kommunistischen Partei in seiner Jugend beitrat, weil er durch seinen Vater die Werte des Kommunismus kennen lernte, die ihm im Alltag ein Handlungsvorbild wurden. Besonders die Reden und Schriften Lenins beeinflussten ihn nach eigener Aussage. Dies deckt sich wohl auch mit der Mehrheit der KPD Mitglieder, die den Idealen der Revolution in Russland nacheiferten. Lenin war für die Partei ein Vorbild, wie auch Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg.

Auf der anderen Seite muss betrachtet werden, dass sich Belz im Gegensatz zu vielen seiner Parteifreunde nicht von der Sowjetunion unter Josef Stalin distanzierte. Während dieser hinter der Hand deutscher Kommunisten als Verräter an der Revolution behandelt wurde, verteidigte Belz seine Politik. Auch die Sowjetunion, die sich in den Augen vieler Parteimitglieder immer mehr zu einer Diktatur unter der Herrschaft Stalins entwickelte, sieht Belz immer noch als den Staat, der die Ideale der sozialistischen Revolution darstellt. Die Soldaten aus der Roten Armee waren für ihn Freunde.

Im Gegensatz zu vielen anderen Personen in der KPD suchte Belz im Kampf gegen den Nationalsozialisten immer die Verbindung zu den anderen Arbeiterparteien, allen voran der SPD. Dies war zu einer Zeit, als die KPD sich in anderen Landkreisen sogar mit der NSDAP zusammen tat, um einen Entschluss der konkurrierenden Partei zu verhindern. Belz scheint also der Kampf gegen den Faschismus wichtiger gewesen zu sein, als die Rivalität mit den anderen Arbeiterparteien. Weiterhin zeigt sich, dass Belz bei seiner politischen Tätigkeit keineswegs nur auf die KPD angewiesen war. In Uniform schrieb Belz noch antifaschistische Parolen an Häuser. Auch war es nicht der Wille einer Partei, sondern seine Überzeugung, die ihn zu der Roten Armee überlaufen und gegen die Weiterführung des Krieges kämpfen ließ.

Betrachtet man all dies, so kann man feststellen, dass man Willi Belz wohl kaum als ein „normales“ Mitglied der KPD bezeichnen kann, welches der Doktrin der Partei immer folgte und dessen politische Ambitionen sich nur im Rahmen der Parteiaktivität abspielten. Belz Taten gingen weit darüber hinaus. Um gegen den Faschismus zu kämpfen, ging er über die parteilichen Grenzen hinaus. Für den Kampf gegen die Nationalsozialisten wollte er möglichst viele Menschen gewinnen, egal welcher politischen Partei sie folgen. In seiner politischen Tätigkeit ging er weit über die Parteitätigkeit hinaus. Er wollte sie in und außerhalb der Politik nicht nur ausführen, sondern aktiv gestalten.

So war Belz letztendlich auch bereit sein Leben für seine Ziele und Ideale zu geben. Bis zum Schluss weigerte er sich, auf einen Menschen zu schießen. Obwohl ihm damit der Tod drohte, versuchte er seine Kameraden vor der Front zu schützen oder auf Seiten der Roten Armee für seine Überzeugung zu kämpfen. Durch seine pazifistische Haltung unterscheidet er sich von vielen anderen Menschen, die nach der Beseitigung jeglicher politischer Opposition durch die Nationalsozialisten nicht mehr in Erscheinung traten.

Russlandbild

Schließlich ist auch interessant, dass sich das Bild, welches Belz von der Sowjetunion und deren Bevölkerung hat, gänzlich von dem Großteil seiner Zeitgenossen unterscheidet. Während diese in „dem Russen“ die Art von grausamen „Untermensch“ sahen, den die nationalsozialistische Propaganda ihnen vorspielte, sah Belz die Menschen ganz anders. Nicht nur, dass er die Revolution und die Revolutionäre in dem ehemaligen Zarenreich als Vorbilder ansah: Auch während des Krieges noch waren seine Sympathien auf der Seite des Kriegsgegners Deutschlands. Dies wohlgemerkt zu einer Zeit, zu der selbst deutsche Kommunisten kaum ein positives Wort über Stalin verloren.

Seine Wehrpflicht war durch den Wunsch geprägt, keinen Russen umbringen zu müssen und nach seinem Übertritt zu der Roten Armee lernte er die Menschen als „wunderbare Kameraden“ und „wahre Menschen“ kennen. Man kann sich heute nur schwer vorstellen, wie es für einen Menschen sein muss, wenn man einer der wenigen Menschen ist, die in einem Staat mit dem Volk sympathisiert, welches sich mit dem eigenen Volk im Krieg befindet.

So wechselte er auch im Krieg die Front, obwohl ihm die Verunglimpfung und Ausgrenzung als „Vaterlandsverräter“ drohte. In dem Kriegsgefangenenlager versuchte er das Bild der deutschen Soldaten von den Russen zu brechen und setzte sich für Verständigung ein. Dies tat er nach eigener Aussage immer unter dem Vorsatz, den ihm sein Vater im Jugendalter steht gelehrt hatte: Toleranz und Offenheit.

Eigene Meinung

Das Beispiel von Willi Belz zeigt uns also, dass es in Deutschland unter dem Hakenkreuz nicht nur eine Meinung über die Sowjetunion und die russische Bevölkerung gab. So wie Willi Belz gab es noch weitere, die sich der Propaganda widersetzten, wenn wohl auch nur wenige so sehr für ihre Meinung aufgestanden sein werden, wie es Belz tat. Natürlich ist es schwer, zu einer Versöhnung zu gelangen, wenn sich zwei Kriegsparteien – insbesondere auf Seiten des NS-Regimes – so schwere Verbrechen und Vergeltungen ereignet haben. Doch wenn wir uns Willi Belz ansehen, so erhält dieses Bild der gegenseitigen Feindschaft zweier Staaten, zweier unterschiedliche politischer Systeme risse. Er zeigt uns, dass man sowohl Deutscher sein kann, als auch eine gute Meinung über die Sowjetunion haben. Durch sein Beispiel erhält das dunkle Bild einer schwarz-weißen Auseinandersetzung zwischen dem Osten und dem Westen ein wenig Farbe der Offenheit und Menschlichkeit.

So kann Willi Belz uns schließlich auch heute noch ein Vorbild sein, was den Umgang mit den Menschen anderer Staaten angeht. Willi Belz setzte sich im Umgang mit der sowjetischen Bevölkerung über die Propaganda des Nationalsozialismus hinweg und hatte auch den Mut dazu, seine Überzeugungen durchzusetzen. Orientiert man sich an den Idealen der Offenheit und Toleranz, können wir auch heute über die Vorurteile zu Menschen aus anderen Ländern hinweg kommen.

Willi Belz war in vieler Hinsicht ein beeindruckender Mensch. Allein seine politische Laufbahn zeigt dies sehr gut. Mit gerade einmal 16 Jahren eine Jugendorganisation aufzubauen und diese daraufhin zu Leiten sowie in jungen Jahren bereits ein Funktionär der KJVD/KPD zu werden, is sehr besonders.

Vielmehr als das hat mich allerdings seine persönliche Haltung beeindruckt. Sich bereits im Kindesalter mit der Frage des Klassenkampfes und soziale Fragen zu beschäftigen und damit verbunden auch zu zeigen, dass einen das Schicksal anderer Personen wichtig ist, zeigte schon früh, in welche Richtung sich sein Leben entwickeln würde. Und tatsächlich waren Willi Belz auch in seinem späteren Leben seine Ansichten und der Kampf für Gerechtigkeit/gegen das NS-Regime wichtiger als sein eigenes Leben, welches mehrfach bedroht wurde und häufig durch kleine Fehltritte hätte enden können.

Dies zeigte sich in vielen konkreten Ereignissen und Entscheidungen von Willi Belz. Nach seinem Aufenthalt im Konzentrationslager Lichtenburg, bekam er die Chance sich still zu verhalten und nur noch für sich und seine Familie zu sorgen. Ihm wäre nichts mehr geschehen. Stattdessen setzte er sich aber dafür ein, Menschen über den Schrecken, den das NS-Regime verbreitete, aufzuklären. Dabei war ihm wohl absolut klar, dass nur eine einzige Person, die er ansprach, etwas davon hätte melden müssen und er mit Sicherheit wieder in Konzentrationslager gebracht worden wäre, wenn nicht gar sofort zum Tode verurteilt worden wäre. In dieser Situation, zudem abgeschnitten von der Parteiführung (der KPD), bewies er Mut und eine beachtliche Menge an Kraft, um seine Familie zu ernähren, ihr sogar ein Haus mit eigenen Händen zu bauen, weil sie sich ihr altes nicht mehr leisten konnte und im Widerstand zu arbeiten/diesen selbst in Kassel zu organisieren und aufzubauen.

Auch später bewies er diesen Mut und seine große Überzeugung, für das Richtige einzustehen. Als er zum Krieg an die Ostfront eingezogen wurde und anstatt zu kämpfen, versuchte zu den Sowjets überzulaufen, wurde er trotzdem in ein Kriegsgefangenenlager eingesperrt, da man fürchtete, er sein ein Spion (oder Ähnliches). Doch auch dies hielt ihn nicht davon ab für seine Sache einzutreten. Er schrieb Flugblätter, die er im Lager verteilte, redete mit deutschen Kriegsgefangenen und versuchte sie davon zu überzeugen, dass das NS-Regime schlecht sei und sie für die falsche Seite gekämpft hätten.

Willi Belz lebte also nicht nur ein erstaunliches Leben als junger Politiker, Gefangener des NS-Regimes, Häftling im Konzentrationslager, friedlicher Widerstandkämpfer, Aufklärer gegen den NS-Staat, Soldat an der Front, Überläufer und Kriegsgefangener der Sowjets, er hielt vor Allem während dieser gesamten Zeit an seinen Idealen fest, egal welche Gefahren sich daraus für ihn ergaben. Selbst nach dem Krieg und bis ins hohe Alter setzte er sich noch für Aufklärung über die Geschehnisse während der NS-Zeit ein und dies alles macht ihn für mich sehr anerkennenswert!

Quellen

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